Stabile und fragile Netzwerke und Räume kulinarischer Vergemeinschaftung
Über die alltägliche Ernährungspraxis und damit verbunden kulinarische sowie gustatorische Kulturformen erzeugen Menschen Verbindungen und Abgrenzungen, stabilisieren Kollektive und konstruieren Räume. In Zuge der Globalisierung der Weltgesellschaft, bedingt durch die Faktoren erhöhte personale Mobilität im Raum und Digitalisierung der Kommunikation, hat sich eine kulinarische Netzwerkkultur ausgebildet. Der Kennzeichen ist neben einer zunehmenden Binnendifferenzierung, die Aushandlung der Stabilität und Fragilität von ernährungskulturellen Identitäten. Das Rahmenthema der Tagung aufnehmend sollen auf dem Workshop neue Formen kulinarischer Vergemeinschaftung im Fokus stehen, und dabei Fragen der innovativen Produktion von Lebensmitteln und Speisen, aber auch nach diversen Praktiken des Konsums und der Identifikationsangebote aufgreifen. Die Vielfalt von und der reflexive Diskurs über Ernährungsweisen unter den spezifischen Rahmenbedingungen des 21. Jahrhunderts stellen ein ideales Forschungsfeld für die Untersuchung neu entstehender Räume des Kommensalismus dar. Sowohl im urbanen als auch im ländlichen Raum entstehen über neue oder wiederentdeckte Formen der gemeinsamen Produktion, des Teilens und des gemeinsamen Verzehrs neue Zugehörigkeiten und Vergemeinschaftungen, aber auch Abgrenzungen und Widerständigkeiten, die in affektive, moralische und politische Praktiken eingebunden sind und zum Beispiel Ausdruck von Lebensstilkulturen sind oder auch kritisch auf bestehende Muster von Ungleichheit und (Verteilungs-) Gerechtigkeit sowie den Umgang mit Lebensmitteln Bezug nehmen. Der Workshop sucht nach Forschungen, die weltweit diesen neuen Orten, Gemeinschaften, Netzwerken und Grenzen nachspüren.
Vorträge
Vergemeinschaftung an der Mülltonne
Benedikt Jahnke und Ulf Liebe, Universität Bern, Schweiz
Mag auch in der heutigen Zeit die klassische Tischgemeinschaft durch vielltige andere Formen ergänzt und teilweise ersetzt worden sein, so ist es dennoch etwas Außeralltägliches, wenn der Ort der Vergemeinschaftung die Mülltonne darstellt. Doch genau dies ist beim Containern der Fall. Auf Grundlage von 20 qualitativen Interviews und einer Befragung von über 200 Personen mit Containererfahrung wird deutlich, ganz gleich aus welchen Motiven heraus man Containern geht, sei es aus politischen oder finanziellen Gründen, um etwas gegen die Ressourcenverschwendung zu unternehmen oder ein Abenteuer zu erleben, dass die gemeinsame Suche nach Lebensmitteln in Supermarkt- Containern neue soziale Beziehungen und ein Wir -Gefühl entstehen lässt. Dies äußert sich u.a. darin, dass das Teilen von Lebensmitteln auch mit Fremden eine weit verbreitete Praxis darstellt und dass Containern häufig in eine abe ndfüllende Gruppenaktivität eingebettet ist (sich vorher treffen, gemeinsam containern, nachher zusammensitzen und kochen).
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Street Food in Bangkok: Urbane Identitäten, allgegenwärtiger Konsum und fließende Zwischenräume
Nat Sattavet, Universität Wien, Österreich
Die Food and Agriculture Organization (FAO) versteht unter Street Food „ready - to-eat foods and beverages prepared or sold by vendors or hawkers especially in the streets and other similar places“. Gisèle Yasmeen prägte den Begriff und das Konzep t des public eating, welches sie in den tradierten Essensgewohnheiten der lokalen Bevölkerung Bangkoks verortet. Bangkoks foodscapes sind rhizomatische Strukturen, deren Grenzen fließend verlaufen. Es sind vor allem Orte des Transits (Bushaltestellen, Eingänge zu Gassen, Gehsteige etc.), die als Zwischenräume des Konsums fungieren. Das Attribut der Informalität ist als Zuschreibung anzusehen, welches durch Interaktionen mit den Autoritäten täglich neu verhandelt wird. Dies macht öffentliche Räume in Bangkok zu einer umkämpften Domäne: den Strategien der Stadtverwaltung gegenüber stehen die Taktiken der Händler_innen, die im Stande sind durch Mobilität ihre Angebotsstrukturen aufrechtzuerhalten. Beide Seiten buhlen um die Gunst der Konsument_innen, denn diese entscheiden über den Fortbestand von Street Food, einem Phänomen, das Bangkoks komplexe Stadtmorphologie charakterisiert und die vielfältigen Räume des urbanen Konsums offenlegt.
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The Value of Secrets in the Kriol Kitchen
Lina Pranaitytė-Wergin, Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung, Halle/Saale
The town of Broome at the Indian Ocean coast of northwest Australia has a multicultural history. Because of its coastal location, pearl farming and avibrant tourism industry, Broome’s kriol kitchen accounts for more than 100 years of migration and creolisation processes that resulted from a combination of Australian Aboriginal, European, Malay, Chinese and Japanese interactions. Through the use of diverse ingredients and cultural variations of dishes, local families advocate particular cooking traditions. Most of the signature dishes of locally well-known cooks are gladly shared with guests. However, the expression of sensual admiration will scarcely result in the cook sharing the recipe. Even if done, a few ingredients or measurements will always be left out. The use of secrets in food production and consumption reconfigures forms of belonging within families and communities. The regulation of access to secret and therefore valued knowledge generates various social relationships, including those, which define kinship, identity, group belonging and exclusion.
Organisation:
Dr. Daniel Kofahl, Büro für Agrarpolitik und Ernährungskultur (APEK)
Dipl.-Soz. Bettina Mann, Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung, Halle/Saale
Sebastian Schellhaas, M.A., Goethe-Universität Frankfurt am Main
Organisation:
Dr. Daniel Kofahl, Büro für Agrarpolitik und Ernährungskultur (APEK)
Dipl.-Soz. Bettina Mann, Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung, Halle/Saale
Sebastian Schellhaas, M.A., Goethe-Universität Frankfurt am Main
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