Mittwoch, 10. Oktober 2018

FIAN braucht ein Upgrade

Wieder einmal erreicht mich aus der FIAN-Geschäftsstelle eine Pressemitteilung, in der pauschale Technikkritik geübt wird.

Schon die undifferenzierte Kritik an der sogenannten "industrialisierten Landwirtschaft" durch FIAN irritiert mich seit Jahren. Bisher ist der Anstieg der Nahrungsmittelproduktion durch die sogenannten industrialisierten Methoden der einzige in der Realität belegte agrarökonomische Vorgang, der uns überhaupt davon sprechen lässt, dass in der Gegenwart mehr Lebensmittel global zur Verfügung stehen als wir bräuchten, um den Bedarf der (beständig steigenden) Weltbevölkerung an Nährstoffen zu decken. Alle anderen Ideen wie "ökologische Landwirtschaft", "radikal verändertes Konsumverhalten" oder was auch immer, sind zwar schöne Ideen, bislang aber eben einfach bloß Utopien. Deren Praxistest zur Ernährung der Weltbevölkerung - die zu einem großen Teil in urbanen Kontexten lebt und keineswegs kleinbäuerlich am Existenzminimum wirtschaften möchte - steht bislang noch aus oder ist teilweise voll von Bugs ("kleinbäuerliche Landwirtschaft"). Und ich will hier nicht darauf hinaus, jegliche Form radikalkapitalistisch-industrieller Landwirtschaft als gut und hilfreich zu bewerten. Nur ist deshalb auch nicht alles schlecht.

Und nun kommt noch eine pauschale Ablehnung der Digitalisierung der Landwirtschaft hinzu. Anstatt differenziert die Vor- und Nachteile zu erklären kommt eine lavierende Kritik ("kann verschärfen") an den hochmodernen Methoden. Dass die Digitalisierung andersherum tatsächlich dazu beitragen kann, bislang schon bestehende Probleme wie die Diskriminierung von Frauen zu entschärfen (oder können nach der Ansicht von FIAN auf einmal Frauen keine High-Tech-Geräte bedienen? - im Gegenteil liegt die Vermutung nahe, dass hier erhebliches Emanzipationspotential liegt) oder die regionale Produktion zu optimieren (auch was "ökologische Nachhaltigkeit" anbelangt) wird leider in der Pressemitteilung ausgespart. Die Frage ob dann für regionale Märkte produziert wird oder ausschließlich für den Export oder für den Export, der durchaus auch positive Effekte für den heimischen Markt haben kann, hängt schlussendlich überhaupt nicht kausal mit der verwendeten Technik sondern mit politisch-ökonomischen Fragen zusammen, die sich aber freilich schwieriger thematisieren lassen als einfache Technikkritik.  

Ich bin seit Jahren Mitglied bei FIAN. Ich finde, der Kampf gegen (Hidden-)Hunger, gegen Mangelernährung und für das Recht auf Nahrung sowie für Kulinarische Teilhabe (Link 1 / Link 2) ist ein extrem wichtiges Anliegen auch in der hochmodernen Weltgesellschaft. Doch FIAN könnte ein Upgrade in Richtung Hungerbekämpfung 4.1 meiner Meinung nach langsam mal sehr gut tun!


Die Grafik zeigt den Anstieg der globalen Nahrungsproduktions seit den 1960er Jahren. Da die globale Ackerfläche nur marginal angestiegen ist, ist der Anstieg bei den Nahrungsmitteln auf Produktivitätszuwächse zurückzuführen. Resultierend aus industriellen und (hoch)modernen Methoden der Effizienzsteigerung. Somit befinden wir uns derzeit in einem einmaligen historischen Zeifenster, in dem mehr Nahrungsmittel (in Kcal) zur Verfügung stehen als gebraucht würden, um die Weltbevölkerung ausreichend zu ernähren.
Quelle: Prof. Dr. Martin Qaim, Universität Göttingen, 2012